3 Länder-Gravel – die Region rund um Aachen entdecken

Drei Länder, ein Rad-Festival – und unendliche Touren-Möglichkeiten: Eifel, Ardennen, Hohes Venn, Mergelland. Die Region rund um Aachen im Portrait. Aus: RennRad 3/2023

Text: Günter Jekubzik
Fotos: Marc Gasch, Petra Vroomen, George Deswíjzen, Günter Jekubzik

Wir fahren leicht bergauf, auf einer früheren Bahnstrecke, die zum Radweg wurde – auf belgischem Territorium doch in Deutschland. Eigentlich. Dies ist der „Vennbahnweg“, ein langer Streifen Land, der rechtlich zu Belgien gehört. Die Grenzen sind hier, im Drei-Länder-Eck, fast „fließend“. Unsere Tour begann am 1200 Jahre alten Aachener Dom und dem historischen Rathaus – und führte uns in den Wald. Wir fahren auf 3T-Exploro-Gravelrädern. Unser Trip ist ein Teil der XPDTN3-Aktion, bei der außergewöhnliche Regionen – etwa San Francisco, die Moab-Wüste, der Süden Südafrikas – bereist und befahren werden. Unsere aktuelle Reise- und Touren-Ziele: die Eifel und die Ardennen. Drei Länder, drei Sprachen und fünf Regionen mit unterschiedlichen Mentalitäten und Spezialitäten: Die „Euregio Maas-Rhein“ bietet auf kleinem Raum eine extreme Abwechslung. 

Seen & Wälder

Es ist ein sonniger Herbsttag. Wir durchqueren das fast schon kitschig schöne Historienörtchen Kornelimünster und lassen danach die „Zivilisation“ hinter uns. Wir biegen erst auf einen geschotterten Feldweg ein, dann auf einen Pfad. Dies ist eine ideale Gravel-Region: weit, vielfältig, natürlich, hügelig. Der Boden ist weich, aber teilweise verwurzelt. In diesen Passagen ist Fahrtechnik gefragt. Unter uns taucht ein See auf, den wir später umrunden: die Wehebachtalsperre. Die Sonnenstrahlen glitzern auf dem Wasser. Niemand spricht. Nur das Knacken des Laubs, über das unsere Stollenreifen rollen, ist zu hören. Wir passieren Hürtgenwald – und später die riesige „Ordensburg Vogelsang“ und bekommen eine kleine Geschichtsstunde. Sogar Ernest Hemingway berichtete einst die Abwehrschlacht zwischen der Wehrmacht und der vorrückenden US Army um den Hürtgenwald. Sie zählt zu den schwersten Kämpfen der US Army im gesamten Zweiten Weltkrieg. 

Die NS-Ordensburg Vogelsang wurde von den Nationalsozialisten in der Eifel oberhalb der Urfttalsperre auf dem Berg Erpenscheid oberhalb der Urfttalsperre errichtet. Sie diente zwischen 1936 und 1939 als Schulungsstätte für den Nachwuchs des NSDAP-Führungskaders und steht heute unter Denkmalschutz. Unsere Tages-Tour führt uns weiter. In die Rureifel, und bis nach Heimbach, die mit nur rund 1100 Einwohnern kleinste Stadt und kleinste Gemeinde Nordrhein-Westfalens. Der Ortskern ist dominiert von kleinen Fachwerkhäusern, und über allem thront die Burg Hengebach. Der nächste Tag, die nächste Tour. Über dem Rursee, der vor uns liegt, schwebt ein Regenbogen. In diese Richtung fahren wir los. Bis nach Einruhr geht es am Ufer mit den Verästelungen des Stausees entlang. Wir streifen Teile des Nationalparks Nordeifel. Die Steigungen werden länger, der Untergrund wird schwieriger: lose Steine, Geröll. Ich muss ich darauf konzentrieren, dass das Hinterrad meines Gravelbikes nicht durchdreht. Oben: Pause. Absteigen, Energie-Riegel-Essen, Foto-Machen. Aufsteigen. Abfahrt. Wir passieren die Eifler-Seen-Platte, den Obersee und die Olef-Talsperre. 

Grenzen & Anstiege

Aus den Buchenwäldern, die wir zuvor durchfuhren, werden zunehmend Fichten- und Tannen-Bestände. Wohin ich auch blicke: Die Farbe grün dominiert. Und so überqueren wir auch die „grüne Grenze“ zu Belgien, ohne es zu bemerken. Unser nächstes Zwischenziel: ein Singletrack am Büttgenbacher See, ein schmaler „Slalom-Parcours“ auf weichem Waldboden. Der Fahrspaß und die Glückshormon-Ausschüttungs-Rate: enorm hoch. Danach geht es gesittet, im Grundlagen-Tempo, weiter in Richtung unseres Tagesziels: Ligneuville in Belgien. Das Städtchen liegt etwas südlich der berühmten Rennstrecke von Spa-Francorchamps. Von dort aus ging es zurück nach Aachen. Jener alten Stadt mit der großen Historie. Und jener Stadt, in der ein neues Rad-Festival abgehalten wird: das „3 Rides Festival“. 2022 wurde es zum ersten Mal veranstaltet. In diesem Jahr findet es vom 12. bis zum 14. Mai statt. Es umfasst: Radmarathons, Test-Möglichkeiten, Unterhaltung, Kulinarik – und die Option, Gravel-Touren in die Umgebung zu unternehmen. Was extrem empfehlenswert ist, denn: Diese Umgebung bietet extrem viel – Natur, Ruhe, Abgeschiedenheit, Höhenmeter, Trails, Feldwege, Abwechslung. In der Eifel, den Ardennen oder dem Mergelland.

Letzteres hat seinen Namen von „Mergel“, den stark kalkhaltigen Böden der Region. Millionen von Jahren Meeresleben haben einst, geologisch gesehen, die heute weichen weißen Steine geschaffen. Bei Trockenheit sorgt der feine Kalksteinstaub für einen feinen Film auf den Gesichtern von Radfahrern. Bei Nässe findet sich dort statt eines Films oftmals eine dicke weiße Matschschicht. Diese Region kann man im Rahmen den „Gravel Series Limburg" selbst intensiv auf dem Gravelbike erfahren und erleben. Das Event wurde bereits sechs Mal ausgetragen und zählt zur niederländischen Schotter-Meisterschaftsserie. Der Beginn der Strecke: breite Feldwege. Der Untergrund: winzige Kreide-Steinchen. Zunächst geht es zum niederländisch-amerikanischen Friedhof in Margraten. Die 65 Kilometer lange Starttour rund 900 Höhenmetern wird als „Liberation Ride“ bezeichnet. Sie führt durch Mesch, ein kleines Dorf, das als erstes im Zweiten Weltkrieg befreit wurde, an die „Siegfriedlinie“ und an vielen Denkmälern, die an die Kriegsgeschichte erinnern. Noch eindrucksvoller sind die Weingüter mit ihren Grauburgunder-, Chardonnay- und andere Reben. Wenn die Route für einen kurzen Abstecher ins französischsprachige Belgien die Grenze nach Wallonien überquert, werden die Pfade schmaler und der Blick öffnet sich hinunter ins Maastal. 

Hügel & Ziele

Am anderen Ufer, beim gigantischen Kalksteinbruch von Hallembaye, blicken wir quasi in das Erdinnere der Kreidezeit. Vor uns erhebt sich eine weiße Wand, die noch aus 30 Kilometern Entfernung zu sehen. Diese Ecke Belgiens heißt Fouron oder Voeren – ob hier offiziell Französisch oder Niederländisch gesprochen werden soll, sorgte noch in den 80er Jahren für heftige Straßenschlachten. Knapp vier Stunden nachdem wir in Aachen, dem Startort, kommen wir wieder dort an. Nach der Fahrt über eine Strecke, die so vielfältig ist wie Regionen, durch die sie führt. Das Drei-Länder-Eck bietet generell extrem viel. Unter anderem: Überraschungen. So wird hier etwa das Vorurteil widerlegt, die Niederlande seien „flach“. Dies wurde auch mir noch einmal – schmerzhaft – verdeutlicht, als ich den „Dutch Mountain Ride“ absolvierte. Die Daten der Strecke: 138 Kilometer, 1800 Höhenmeter. Die Macher des Rides suchten sich die schwierigsten und spektakulärsten Hügel der Region aus und verbanden sie mit einem anspruchsvollen Parcours. Man kann diese Tour an jedem beliebigen Punkt beginnen oder beenden. Insider-Tipp: Die Spezialität „Limburgse vlaai“, ein Gebäckstück mit Früchtekompott aus Hefeteig, sollte unbedingt auf dem Pausen-Speiseplan stehen. 

Wir legen auch an „freischwebenden“ Aussichts-Plattform am Sint Pietersberg eine Pause aus. Von hier aus hat man eine herrliche Aussicht auf Maastricht, die Stadt mit der „burgundischen“ Lebensart. Im historischen Stadt-Zentrum machen wir die erste längere Pause. In der alten Bäckerei Bischopsmolen. Der Besitzer Frank van Eerd versorgte versorgt regelmäßig die Radprofis des Teams Lotto-Dstny. Während großer Radrennen, wie dem Amstel-Gold-Race, wird sein Cafe zu einem Radsportler- und Supporter-Treffpunkt. Das Aufstehen und Aufsteigen fällt und schwer – doch wir müssen weiter. Abfahrt. Wir rollen aus dem Maastal hinaus, in die Richtung des höchsten „Berges“ der Niederlande und der Runde. Seine Maximalhöhe: 323 Meter über dem Meer. Dennoch: Ich fühle mich immer schwächer. Hügel folgt auf Hügel. Flach ist es fast nie. Es eine für die Region Limburg typische Strecke. Eine Strecke, wie sie auch das World-Tour-Rennen Amstel Gold Race ausmacht. Der nächste Anstieg: der Wilheminaberg bei Landgraaf. Das Sträßchen hinauf führt über eine alte Kohlehalde. Das Gelände umfasst einen Skihügel, eine Radrennbahn und zeitweise auch ein ganzes Popfestival. Es folgt: Der letzte Anstieg des Tages – der Gulperberg – und ein fast flacher Rückweg nach Maastricht. Über den feinen weißen Untergrund des Mergellands. Einen Untergrund, der Spuren hinterlässt. 


Über 3RIDES

Vom 12. bis zum 14. Mai findet auf dem CHIO-Gelände in Aachen die zweite Auflage des 3Rides-Festivals statt. Eines der Highlights wird ein offizielles UCI-Qualifikationsrennen für die Gravel-Weltmeisterschaft 2023 sein. Damit ist das Rennen im Dreiländereck ein Teil der UCI Gravel World Series sein. Das Gravel-Rennen ergänzt ein breites Angebot an sportlichen Challenges wie Sprintrennen, verschiedenen Radmarathons und Gravel-Ausfahrten. Die Neuerungen im Einzelnen: Die Besucher können E-Cycling-Angebote wahrnehmen. Zudem wird das Familienangebot weiter ausgebaut. Die Stadt Aachen wird mit geführten Touren mehr in das Festival-Konzept eingebunden. Das Angebot richtet sich an Freizeitradler, die Interesse haben, auf geführten Touren die Stadt Aachen oder prominente Vertreter der Radbranche genauer kennenzulernen. Den Kern des Festivals bleibt die große Expo mit einer Testbike-Area, flankiert von musikalischen Live-Acts und einem Food-Market. Kooperationen mit belgischen und niederländischen Event-Veranstaltern und eine ausgeweitete Marketing-Kampagne sollen noch mehr BesucherInnen aus den zentralen Wachstumsmärkten für die Fahrradindustrie nach Aachen locken. Der Standort des Festivals in Aachen verfügt über ein Einzugsgebiet von über 10 Millionen Menschen in einem Umkreis von 150 Kilometern. Die Veranstalter sind die BVA Bikemedia GmbH, zu der auch das RennRad-Magazin gehört und die Event-Spezialisten ProStyle. Weitere Informationen: www.3rides-festival.com

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